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Pneuma «Colección Histórica (Renacimento)» PN-410
2001
01 - Francisco CORREA de ARAUXO (1576-1654). Tiento de quinto tono [4:21]
02 - "El Judici" · trad./Cancionero de Uppsala
(1553) [7:24]
03 - Juan CABANILLES (1636-1701). Pasacalles 5 [4:25]
04 - La Mare de Déu ·
trad./Th.Wimmer; [3:44]
05 - Francisco CORREA de ARAUXO. Tercero tiento de quarto tono [3:25]
06 - [8:36]
Misteris de dolor, estrofas 1-3 ·
trad./Th.Wimmer [3:14]
Juan CABANILLES. Tiento I de falsas [3:19]
Misteris de dolor, estrofas 4-5 · trad./Th.Wimmer [2:03]
07 - Juan CABANILLES. Ligaduras de 3° tono [2:17]
08 - Juan CABANILLES. Pasacalles 1 [2:13]
09 - "Els set dolors de la Mare de Déu"
· trad./Th.Wimmer/Joan Brudieu [10:39]
10 - Juan CABANILLES. Tiento XV de falsas [3:07]
11 - Lucas RUIZ de RIBAYAZ (~1650-?). Xácaras [2:09]
12 - Juan del ENZINA (1468-1529). Todos los bienes del mundo [2:29]
13 - Pablo BRUNA (1611-1679). Batalla de 6° tono [7:47]
Accentus austria
Thomas Wimmer
Maria Luz Alvarez: Soprano / Sopran • Norbert Zeilberger:
Órgano / Orgel
Ulli Engl: Violín / Barockvioline
Peter Aigner: Viola / Barockviola
Jorge Daniel Valencia: Viola da gamba (alto y tenor) / Viola da
gamba (Alt, Tenor)
Claudia Pasetto: Viola da gamba (tenor) / Viola da gamba (Tenor)
Thomas Wimmer: Viola da gamba (bajo) / Viola da gamba (Bass)
Marco Ambrosini: Viola con clavijos, tarota /
Schlüsselfidel, Pommer
Michael Posch: Flauta dulce / Blockflöten
Riccardo Delfino: Harpa de dos órdenes, gaita /
Doppelharfe, Dudelsack
Wolfgang Reithofer: Percusión / Perkussion
Recorded by
W*A*R Studio at the church of Allerheiligen, Austria,
from 8th to 11th August 2001
Engineer: Elisabeth & Wolfgang Reithofer
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notas en español
Geburt und Tod, Liebe, Freude, Schmerz,... mit diesen Situationen und
Gefühlen wird jeder Mensch im Laufe seines Lebens konfrontiert.
Die Auseinandersetzung mit den genannten Grundthemen findet in je
unterschiedlichen Formen von Musik auf sehr unterschiedlichen
Abstraktions- und Reflexionsebenen statt. Dabei kann die
Differenziertheit der Behandlung des Themas durchaus verschieden sein,
Begriffe wie „naiv" oder „intellektuell" sollten wohl im
musikalischen Bereich keine Wertung beinhalten. So sind einerseits sehr
konträre Ausdrucksmittel gleichermaßen geeignet, tiefere
Schichten unseres Bewusstseins zu erreichen, zum anderen, weist der
seit jeher stattfindende gegenseitige Befruchtungsprozess zwischen
Volks- und Kunstmusik auf eine Gleichgewichtigkeit dieser beiden Formen
von Musik hin.
Der Tod, mit allen von ihm ausgehenden Ängsten ist das Thema von El
Judici. Trennungsschmerz und die gnadenlose Verpflichtung,
Rechenschaft über das eigene Leben abzulegen, wobei selbst die
innersten und vermeintlich sichersten Masken fallen müssen, werden
üblicherweise in Visionen des Jüngsten Gerichts beschworen.
Die Thematik des traditionellen katalanischen Textes weist eine gewisse
Verwandtschaft zu den sogenannten sybillinischen Prophezeiungen auf,
die sich in ihrer konkreten Form bis ins 14.Jhdt. zurückverfolgen
lassen. Dabei handelt es sich um Orakelsprüche, die,
ursprünglich aus der griechischen Antike stammend, während
des europäischen Mittelalters mit Texten aus der Offenbarung des
Johannes (="Apokalypse") vermengt wurden. In El Judici
allerdings wird, entgegen den düsteren, alptraumhaften Visionen
und ganz in der Tradition des Neuen Testaments ein gütiger Gott
beschworen, der trotz aller Verfehlungen Gnade und Güte walten
lässt.
Alle musikalischen Teile von El Judici basieren auf dem selben
thematischen Material: nach den symbolischen Fanfaren des Jüngsten
Gerichts wird der erste Teil des Textes in der Art traditionellen
Gesanges über einem gleichbleiben Bordun gesungen; die daran
anschließende polyphon durchkomponierte Fassung ist eine
sogenannte Kontrafaktur (eine seit dem Mittelalter bekannte und
gängige Praxis der Unterlegung eines Textes unter eine bereits
existierende und nicht eigens dafür angefertigte Melodie) unter
Verwendung einer Mitte des 16.Jhdts. entstandenen Komposition,: die
Bestandteil des 1556 veröffentlichten „Cancionero de
Uppsala" ist, einer Sammlung spanischer Vokalmusik.
Die wohl stärkste sinnbildhafte Darstellung von Schmerz ist in der
katholischen Ikonografie sicherlich die Figur Marias unter dem Kreuze.
Sie wird in dieser Situation einmal mehr zutiefst menschlich
dargestellt: ihr unsäglicher Schmerz, der, angesichts des
schrecklichen Endes ihres einzigen Sohnes, von der Mutter in ihr
ausgeht, verwehrt ihr den Blick auf den
Sinn bzw. die zwanghafte Notwendigkeit des Geschehens. Wie ein Schwert
bohrt sich die Qual in ihre Brust. Gerade diese menschlichen Züge
Marias sind es aber, die sie neben ihrem Wesen als Frau und Mutter zur
Mittlerin zwischen dem Göttlichen und der Menschheit
prädestiniert. Nicht übermenschlich und im Grunde genommen
unerreichbar oder unnachahmlich ist sie in ihrer Lebensführung und
ihren Regungen, sondern uns gleich, die erste emotionale Zuflucht, wie
eine Mutter für ihre Kinder. Sie ist es auch, die in Misteris
de Dolor Fürbitte einlegen sollte, zu ihr eilt man, um
Anteil am Blut Christi zu haben. Text und Musik, beides mündlich
überliefert, stehen hier in einer polyphonen Fassung, unterbrochen
von einem Tiento Juan Cabanilles', das von einem fugenartig in
allen Stimmen vorgestellten chromatischen Thema bestimmt wird.
Aufgrund ihrer Mittlerrolle wird Maria oft mit der Zahl sieben" in
Zusammenhang gebracht (die sieben Freuden bzw. die sieben Schmerzen der
Hl.Maria). Hier lehnt sich scheinbar die christliche Mystik an die
jüdisch-kabbalistische Tradition an, in der „sieben"
für die Verbindung des Göttlichen mit dem Menschen steht.
Der wiederum traditionelle katalanische Text von Els set dolors de
la Mare de Déu wird zum Großteil zu einer gemeinsam
damit überlieferten Melodie gesungen, deren immer wiederkehrender
Refrain hier mehrstimmig gesetzt wurde. Der textliche Anhang, der
über die eigentlichen sieben Schmerzen Mariae hinausgeht und eine
Art Anrufung bildet, ist hier jedoch einer Komposition des Katalanen
Joan Brudieu unterlegt. Jeder der vier 4- bis 6-stimmigen Sätze
hat das selbe kurze traditionelle Thema als Grundlage (es befindet sich
stets im Diskant), lediglich die polyphone Ausarbeitung variiert. Der
allerletzte Nachsatz führt wieder zum Ausgangsthema zurück.
Mit La Mare de Déu tauchen wir in eine völlig
andere, vielfältige Welt von liebenswürdigen Geschichten und
Erzählungen über den Menschen Maria, in denen sie fernab
jeglicher göttlicher Verklärung erscheint. Da die gesamte
Handlung während Marias Kindheit spielt, wird das Geschehen
zusätzlich in eine zeitliche Distanz zu ihrem späteren Leben
gerückt. Nichts deutet auf ihre weitere Berufung hin - sie ist,
abgesehen von ihren besonderen Erlebnissen, ein Mädchen wie viele
andere. Text und Melodie sind traditionell, lassen sich etwa bis ins
16.Jhdt. zurückverfolgen und werden in Katalonien teilweise noch
heute im kirchlichen Bereich gesungen. Die vorliegende musikalische
Fassung vereint traditionelle Singweise, Rezitation und mehrstimmigen
Satz.
Mit dem Jüngsten Gericht, mit der Abrechnung oder Bilanz des
Lebens beginnend, endet die Aufnahme mit einem Memento Mori, in
dem auf die Nichtigkeit alles Irdischen hingewiesen wird: Todos los
bienes del mundo pasan presto y su memoria, salvo la fama y la gloria.
— Alle Dinge dieser Welt verschwinden schnell aus der Erinnerung,
nur Ruhm und Ehre bleiben.
Abgesehen von Juan del Enzinas Villancico „Todos los
bienes del mundo" entstammen sämtliche Vokalstücke dem
katalanischen Volksliedgut Durch Jahrhunderte mündlich
überliefert, wurden zu Beginn des 20.Jhdts. etwa zehntausend
Lieder gesammelt und damit vielleicht vor dem Vergessenwerden bewahrt.
Ihre Komponisten sind unbekannt, ihr genauer zeitlicher Ursprung
lässt sich zumeist nur vage angeben. Das 16. und das 18.Jhdt.
waren sicherlich die fruchtbarsten, aus ihnen stammt ein Großteil
aller Lieder. Darüber hinaus lassen sich einige Melodien bis ins
11.bzw.12.Jhdt. zurückverfolgen, sie finden sich oftmals in wenig
veränderter Form bereits bei den provenzalischen und katalanischen
Troubadours oder wurden von Choralmelodien übernommen. Auch die
Texte sind teils jahrhundertealte Erzählungen oder Legenden, teils
neueren Datums.
Die Instrumentalmusik, die die vokalen Werke umrahmt bzw. begleitet,
stellt durch die Verwendung der Orgel die Lieder in einen gewissen
kirchlichen Zusammenhang. Andererseits spiegelt sie die Aufnahme
populärer Elemente in der Kunstmusik wider, wie es auch bei den
vokalen Werken dieser Aufnahme ersichtlich ist.
Juan Cabanilles (1636-1701) bildete den Höhepunkt einer
ungebrochenen Tradition von Organisten, die im 16.Jhdt. mit Antonio de
Cabezón (1510-1566) begann und über dessen Sohn Hernando
(1541-1602), Francisco Correa de Araujo (1576- 1654) und Pablo Bruna
(1611-1679) — um nur die wichtigsten Vertreter zu nennen —
bis weit ins 18.Jhdt. reichte. Den größten Teil von
Cabanilles' umfangreichem Nachlass bilden Tientos: freie
Kompositionen, die ein oder mehrere Themen oft fugenartig verarbeiten.
Besonders im 17.Jhdt. wurden sie gerne mit absichtlich eingebauten
Querständen und Vorhalten, sogenannten "falsas", versehen, die dem
harmonikalen Geschehen eine zusätzliche Spannung verleihen und die
an geeigneten Punkten umso genussvoller aufgelöst werden. Seine Pasacalles
sind harmonikal und thematisch weit entwickelt und daher vom
„Original" einigermaßen abgehoben bzw. nur bei näherer
Betrachtung als solche zu erkenen. Sämtliche Werke von Cabanilles
sind - wie bei allen spanischen Organisten des 16. und 17.Jhdts.
üblich - als 4-stimmige Partitur überliefert. Vielfach sind
seine Kompositionen eindeutig an den Möglichkeiten von
Tasteninstrumenten orientiert und als „Orgelliteratur"
unverwechselbar zu erkennen, in anderen Fallen richtet sich der
Tonumfang der einzelnen Stimmen nach den Möglichkeiten von
Streich-bzw. Blasinstrumenten der Epoche. Die Ausführung dieser
Stücke mit anderen Instrumenten als der Orgel ist deshalb ein
Leichtes — eventuell wurde diese Praxis bereits zum Zeitpunkt
ihrer Entstehung gepflegt, was zumindest das völlige Fehlen
instrumentaler Ensemblemusik im 16. und frühen 17.Jhdt.
erklären würde.
Correa de Araujo, an der Kathedrale von Sevilla als Organist
tätig, legte, den Gepflogenheiten des 16.Jhdts. folgend seine
Sammlung (Libro de tientos y discurso de mvsica Practica, y theorica
de organo intitulado facultad organica — Alcalá, 1626)
didaktisch an: alle acht Tonsysteme werden bei steigendem
Schwierigkeitsgrad durchschritten, sodass der Schüler alle
kompositorischen und spieltechnischen Möglichkeiten seines
Instrumentes vermittelt bekommt.
Schließlich zeigt uns Lucas Ruiz de Ribayaz eine
mitreißende Stilisierung einer aus der Popularmusik stammenden
Tanzform: Xacaras. Der gemeinsame Nenner aller unter diesem Namen
überlieferten Stücke ist der stete Wechsel zwischen
Dreier-und Zweiertakten, der dieser Musik einen gewissen schwingenden
Charakter verleiht. Er wird hier allerdings zeitweilig zugunsten einer
melodischen und harmonischen Fortführung von einem einheitlicheren
Rhythmus unterbrochen.
Die auf dieser Aufnahmen gespielte Orgel befindet sich in der Kirche
von Allerheiligen in der Nähe von Linz/Österreich. Sie stammt
aus der Zeit etwa zwischen 1610-1650 und wurde 1995 restauriert. Nach
dem erhaltenen Pfeifenbestand wurden die Register vervollständigt
und ergänzt und sämtliche mechanische Teile dem originalen
Zustand folgend wiederhergestellt. Die Orgel erhielt eine
mitteltönige, terzreine Stimmung (a'=466 Hz) und zählt somit
zu den seltensten Stücken ihrer Art in ganz Europa.
Thomas Wimmer