choralschola.at
1983
Philips Classics 411 140-1 (LP)
Philips Classics 411 140-2 (CD)
23-24 April, 1983
Wiener Hofburgkapelle
Propriumsgesänge
aus dem «Graduale
Romanum»
1 - Introitus: Rorate caeli [2:59]
Dominica Quarta
Adventus
2 - Offertorium: Ave Maria [2:12]
Dominica quarta
Adventus
3 - Offertorium: Meditabor [1:31]
Hebdomada vigesima
nona
4 - Introitus: Jubilate Deo [3:50]
Hebdomada tertia
Paschae
5 - Offertorium: De profundis [1:51]
Hebdomada vigesima
tertia
6 - Communio: Beati mundo corde [1:52]
Commune Sanctorum
et Sanctarum
7 - Graduale: Christus factus est [2:38]
Dominica in
Palmis de Passione Christi
8 - Offertorium: Improperium [2:53]
Dominica in Palmis
de Passione Domini
9 - Communio: Dicit Dominus [1:51]
Hebdomada secunda
10 - Offertorium: Jubilate Deo [3:44]
Hebdomada quinta
Paschae
Missa
in
Conceptione Immaculata Beatae Mariae Virginis
(8. Dezember)
11 - Introitus: Gaudens gaudebo [4:30]
12 - Kyrie IX [2:23]
13 - Gloria IX [3:16]
14 - Alleluia. Tota pulchra es [2:49]
15 - Offertorium: Ave Maria [2:05]
16 - Sanctus IX [1:43]
17 - Agnus Dei IX [1:33]
18 - Communio: Gloriosa [0:53]
19 - Antiphona: Salve Regina [3:00]
Choralschola der Wiener Hofburgkapelle
Peter Hubert Dopf S.J.
Gregorianischer Choral
Propriumsgesänge
aus dem «Graduale
Romanum» · Missa in Conceptione Immaculata B. M. V.
Der Gregorianische Choral,
der einstimmige, lateinische Kultgesang der römisch-katholischen
Kirche, leitet seinen Namen von Papst Gregor ab. Um 600 sammelte und
ordnete dieser die Gesänge der Liturgiefeiern in Rom, ehe sie,
vermutlich vom fränkischen Boden aus, im 9. Jahrhundert mit staatlicher
Autorität durch zahlreiche Sängerschulen an Domkirchen und Klöstern
verbreitet wurden. Choral nennt man die Musik, weil sie »in choro«
stattfindet, neben dem Altar als dem kultischen Mittelpunkt des
Kirchenraumes — der Terminus besagt also nicht, daß die Musik von allen
Anwesenden
ausgeführt wird. Das Repertoire der heute verfügbaren gregorianischen
Stücke liegt im Graduale Romanum von 1974 vor — es
enthält in seinen ersten Teilen die wechselnden Meßgesänge
(das sog. Proprium), die den eigentlichen Charakter
eines Festes oder Heiligentages ausmachen und sich von den
gleichbleibenden Ordinariumsteilen der Messe (Kyrie, Gloria, Sanctus,
Agnus Dei) textlich und musikalisch abheben.
Die Melodie der Gesänge folgt nicht unserem heutigen Dur- und
Mollsystem, sondern dem Prinzip der Kirchentonarten oder Modi. Dabei
verleihen die an immer anderen Stellen der Tonleiter liegenden Halbtöne
den Tonarten unterschiedliche Charaktere, denen man auch
unterschiedliche ethisch-moralische Wirkungen auf Sänger und Hörer
zuschrieb. Von besonderer Bedeutung innerhalb einer kirchentonalen
Melodie sind der Schlußton (Finalis), der Rezitationston (Tuba oder
Repercussa) und der Tenor (Halteton), der eine Quinte über der Finalis
liegt und um den die Melodie der Psalmodie kreist. Finalis und Tenor
spielen die entscheidende Rolle bei der Frage nach der tonartlichen und
ausdrucksmäßigen Bestimmung der acht Modi (dorisch / hypodorisch;
phrygisch / hypophrygisch; lydisch / hypolydisch; mixolydisch /
hypomixolydisch); so gilt etwa der 7. Ton des Mixolydischen als
strahlend-festlich, der hypolydische 6. Ton als warmherzig und in sich
gekehrt.
Bei aller Fülle und Vielfalt der gregorianischen Gesänge lassen sich
bestimmte Form-Prinzipien erkennen. Der »Parallelismus membrorum« und
die Bogenform. Die erste erklärt sich aus der Eigenart des psalmischen
Betens und Meditierens. In »parallel« verlaufenden Text-»Gliedern«
erläutert in den beiden Hälften eines Psalmverses ein Textinhalt den
anderen, indem er mit gleichen Worten etwas anderes aussagt oder mit
anderen Worten das gleiche umschreibt (»Sanctus, sanctus, sanctus,
Dominus, Deus, Sabaoth«). Dieser textliche Parallelismus membrorum
prägt auch die musikalische Form des zwei-oder mehrteiligen Bogens. Bei
längeren Texten oder reicher ausgestatteten Melodien ist in der Mitte
je einer Bogenhälfte ein Ruhepunkt (Flexa) erforderlich; eine längere
Weise hat demnach die Gliederung Initium, Rezitation, Flexa,
Rezitation, Mediation; Initium, Rezitation, Flexa, Rezitation,
Terminatio.
Neben zehn Propriumsgesängen zu verschiedenen Sonntagen bietet unsere
Einspielung auch ein vollständiges Choralamt zum Fest der
Unbefleckten Empfängnis Mariens, das seit dem B. Dezember
1854 begangen wird. Der katholische Glaubenssatz betrifft nicht die
Empfängnis oder Geburt Jesu, sondern besagt, daß die Mutter Jesu ohne
Erbsünde und Jesu »ohne Erbmakel empfangen« war. Dabei rechnen Introitus
und Communio zu den Prozessionsgesängen, die den
Einzug des Zelebranten zu Beginn der Messe bzw. den Gang der Gläubigen
zum Empfang der Kommunion begleiten. Alleluja und Graduale
gehören zum Typus der Meditationsgesänge; das fast theaterhafte und
virtuose Offertorium verzichtet weitgehend auf
Rezitationen, die Antiphon »Salve Regina« ist das
Grußlied an die Mutter des Herrn, bevor die Gemeinde auseinandergeht.
Alle Gesänge machen deutlich, daß aus der Synthese von Besonnenheit,
Hingabe, Disziplin, Engagement und Ergriffenheit jenes Singen entsteht,
dessen Wesen Ambrosius von Mailand als »sobria ebrietas« (»nüchterne
Trunkenheit«) umschrieb.
Uwe Kraemer
notes
in english
Fra Angelico: Cristo
nella gloria
circondato dai Santi e dagli angeli
San Domenico di Fiesole pala d'altare; The National Gallery, London